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"Die SPD ist gnadenlos desorientiert"

Das Problem in Amberg sind natürlich nicht nur Geschäftsleute, die ihr Heil im Parkplatz vor der Ladentüre sehen. Es ist auch eine Stadtratsmehrheit, die diesem widerlegbaren Aberglauben folgt. Für Dieter Mußemann (CSU) ist und bleibt es ein „resourcenschonendes Bauen“ auf dem Bürgerspital-Areal, wenn eine Tiefgarage unter dem Gebäudekomplex liegt. Für Dr. Eberhard Meier (Freie Wähler) ist das Verkehrskonzept „aus der Mottenkiste“. Statt einem Geschäftsmodell auf Kosten der Gesundheit sollten lieber die vielen Leerstände beseitigt werden. Josef Lorenz (Amberger Bunt) sah es als Tatsache, dass viele Menschen bequem seien. Seine Ausschussgemeinschaft habe die Mehrheitsentscheidung für den Wettbewerbssieger akzeptiert. „Wir sollten schon was Neues wagen, denn jede Zeit hat ihre Architektur.“ Die Grünen hätten von Anfang an für eine Nutzung des Geländes als Altersheim plädiert, so Helmut Wilhelm, zumindest für eine kleinteilige Bebauung. Eine Tiefgarage hält das Bündnis für nicht vertretbar und die Ausfahrt in der Ziegelgasse sei an einer völlig unübersichtlichen Stelle. Klaus Mrasek (ödp) wiederum fühlte sich von Prof. Monheims Ausführungen bestärkt und nannte das Jammern über fehlende Parkplatze „ein Märchen“. „Wir brauchen keine öffentliche Tiefgarage und keine Einfahrt in der Bahnhofstraße. Wir stimmen nicht zu.“ Die Mehrheit der SPD-Fraktion, so Uli Hübner, stehe hinter dem Wettbewerbssieger. Allerdings wolle man „in Zukunft eventuell offener agieren“, da das Verfahren intransparent gewesen sei und die Bürger früher hätten beteiligt werden sollen.

„Die SPD ist gnadenlos desorientiert“, warf ihm Prof. Monheim daraufhin vor. Zukunftsorientiert seien Entscheidungsträger dann, wenn sie Modelle wie Car-Sharing oder automatisierte Tiefgaragen, die nur ein Garagentor und keine Einfahrtsschluchten brauchen, in die Stadtgestaltung einplanten. Eine Tiefgarage in der Fußgängerzone mache die Aufenthaltsqualität und damit die Lust am Gehen durch eine Stadt für die Menschen zunichte. Und dabei habe Amberg alles, um die Altstadt attraktiv zu machen.

Wem gehört die Stadt und wer baut für wen?

Buh-Rufe und Pfiffe zwischendurch für die Statements manch eines Stadtratsvertreters – Andreas Ascherl, Redakteur der Amberger Zeitung, bei dieser Veranstaltung in der Rolle des Moderators, hatte alle Hände voll zu tun. Das Mikrofon fest in der Hand behaltend, ließ er die Zuhörerinnen und Zuhörer zu Wort kommen. Und so mussten sich die Herren den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Geschichte der Stadt auf der Fläche des Bürgerspital-Areals einfach ausgelöscht hätten. Das Gelände gehöre den Ambergern, nicht dem Stadtrat. Damit seien die Mehrheitsparteien schlicht nicht mehr wählbar.

Interessanterweise waren es dann tatsächlich Jüngere und neu Zugezogene, denen ihre Zukunft wichtig war. Wie, so fragten sie, wie den Menschen angesichts von Klimawandel oder Hambacher Forst vermittelt werden soll, dass sich Amberg Autos in die Stadt holt. „Traurig und nicht zukunftsorientiert“ sei das Bauvorhaben. Sie hielten ein gesamtgesellschaftliches Wohnkonzept für nötig. „Da scheint die jüngere Generation weiter zu sein als die ältere“, konstatierte Ascherl auf seinem Parcours durch die Kinoreihen, diesmal zum Vorsitzenden der IG Menschengerechte Stadt, Achim Hüttner. Er verwies auf die Erfolge, die der Verein im Sinne einer lebenswerten Altstadt in Amberg schon erzielt hat, z.B. die autofreie Schiffgasse, kein Parkhochhaus im Maltesergarten. Denn wem gehört denn nun die Stadt? Der Stadtrat jedenfalls tue so, als ob sie ihm gehöre. Die Frage sei aber die nach den Bedürfnissen und wer für wen baue. Dass sich so viele junge Leute gegen die derzeitige Politik aussprechen, freute ihn besonders. „Die Gesundheit der Jüngsten ist mehr Wert als 100 Meter weniger zu gehen.“ Am Ende blieb ihm die Hoffnung, „dass die Judikative greift, wenn die Einsicht nicht kommt.“