Bürgerforum der IG:
Mehrheit für Kunst und Kultur
Amberg. Das Ergebnis der nicht repräsentativen Umfrage im Rahmen des Bürgerforums der IG Menschengerechten Stadt am 20. Oktober im Ringtheater ist eindeutig. Über 60 Interessierte konnten auf 6 Tafeln Punkte vergeben und damit ihre Schwerpunkte für eine neue Nutzung des Bürgerspitalgeländes benennen.
Mit 82 Punkten bekam eine Nutzung als „Überregionale Anziehung durch Kunst und Kultur“ die Mehrheit, gefolgt von „Sozialverträglichem Wohnungsbau“ mit 72 Punkten.
„Klimaschutz“ und „Zeitgenössische und altstadtgerechte Architektur“ lagen mit jeweils 50 Punkten dahinter, 36 bekam die „Durchgängigkeit des Areals“.
Zusätzlich konnten Anregungen und Wünsche notiert werden:
37 Punkte für: Markthalle, Fahrradgarage, Gastronomie
5 Punkte für: Ausgrabung mit durchsichtiger Abdeckung im Boden
4 Punkte für: Platz vor dem Ringtheater zur Begegnung, evtl. Keltenpark
2 Punkte für: Einbindung der Spitalkirche mit „Artists in Residence“
und schließlich 1 Punkt für: Modulare Kleinbauten, Mehrgenerationenhaus.
1., 2. und 3. Bürgerforum der IG Menschengerechte Stadt:
Wann riecht die Stadt den Braten?
Amberg (al). Eigentlich hat die Stadt Amberg ein Luxusproblem. Ein rund 5.000 Quadratmeter großes Grundstück im Osten der Altstadt soll unbedingt verkauft und bebaut werden. Genau genommen gehört es den Ambergerinnen und Ambergern, gestiftet anno dazumal von König Ludwig für soziale Zwecke. Und eben jene Bewohnerinnen und Bewohner machen den Stadträtinnen und -räten das Vorankommen ein bisschen schwer, weil sie mitreden und mitentscheiden wollen, was auf dem Bürgerspitalgelände entstehen soll. Ein Park, der dem Klimawandel und der Hitze in der Stadt etwas entgegensetzt? Oder ein gemeinnütziges Wohnungsbauprojekt wegen des Mangels an bezahlbarem Wohnraum? In drei Bürgerforen ist die IG Menschengerechte Stadt diesen Fragen nachgegangen und hat Ideen, Wünsche und Anregungen der Bürgerinnen und Bürger gesammelt. Die rege Teilnahme hat gezeigt: Die Bürgerinnen und Bürger würden gerne mitreden, so man sie denn ließe.
Orte schaffen, an denen sich Menschen gerne aufhalten, auf Bänken sitzen, auch ohne etwas essen oder trinken zu müssen, sich unterhalten oder dem Blätterrauschen und Vogelgezwitscher lauschen – eine solche Atmosphäre ließe sich auch auf dem Bürgerspitalgelände schaffen. Aber nicht nur „bloß“ eine Parkanlage können sich die Ambergerinnen und Amberger vorstellen. Viele würden das Areal auch als „Kulturmeile“ in Verbindung mit Ringtheater und Spitalkirche genutzt sehen wollen oder mit einer lockeren Bebauung für gemeinnützigen Wohnungsbau oder Mehrgenerationenhäuser. Alle gesammelten Wünsche und Anregungen aber haben Gemeinsamkeiten: Niemand wünscht sich eine Tiefgarage, dafür aber weniger Autoverkehr in der Altstadt, weniger Flächenverschwendung für parkende Autos, weniger Flächenversiegelung insgesamt.
Nach dem gewonnenen Bürgerentscheid im September 2021 sollte die darin versprochene Bürgerbeteiligung umgesetzt werden. Da die Stadt tatenlos blieb, übernahm die IG die Initiative. Noch im Oktober veranstaltete sie das 1. Bürgerforum im Ringtheater. Frühere Ideen zur Bebauung des Bürgerspitalareals wurden vorgestellt, die Teilnehmenden konnten anschließend ihre Wünsche und Anregungen dazu schriftlich festhalten. Mit 24 Prozent lag eine kulturelle Nutzung „mit überregionaler Anziehungskraft“ an erster Stelle, gefolgt von sozialverträglichem Wohnungsbau.
Hierl: „Synergieeffekte für soziale und ökologische Nachhaltigkeit“
Mehr Platz für die Menschen und mehr Grün in der Stadt war denn auch die Grundaussage von Melanie Hierl beim 2. Bürgerforum im April 2022. Die gebürtige Hirschauerin lebt und arbeitet in Stockholm als Stadtplanerin und machte sich – in diesem speziellen Fall – Gedanken darüber, wieviel Nachhaltigkeit – sozial, ökologisch und ökonomisch – das Bürgerspitalgelände braucht. Noch ist die Amberger Altstadt eine Insel der glückseligen Autofahrer und -fahrerinnen, die (fast) überall mit ihren mächtigen Autos hinfahren und sich nach dem nächstbesten Parkplatz umsehen dürfen. Aber um eine Identifikation der Menschen mit ihrer Stadt zu schaffen, braucht es Schau-Plätze, belebte Orte, grüne Oasen. Die „menschliche Perspektive“ sollte Maßstab aller Planungen sein, nicht die des Autoverkehrs. Die Attraktivität einer Stadt macht das aus, was auf Augenhöhe geschieht und nicht im 3. oder 4. Stock einer Hausfassade.
Für die Aufenthaltsqualität einer Stadt, ebenso zur Luftverbesserung und Bewältigung von Wetterextremen wie Hitze oder Starkregen, braucht es „lebenswerte Quartiere“. Orte mit „Wohlfühlcharakter“ machen eine Stadt außerdem sicherer, weil sich einfach mehr Menschen dort aufhalten.
Zeitler: „Rasensamen und zwei, drei Bäume kosten nicht die Welt“
Die veränderten klimatischen Verhältnisse spielten auch bei der dritten Veranstaltung am 24. Mai – eine Podiumsdiskussion zu Denkmal-, Klimaschutz, Architektur undKultur – eine wesentliche Rolle. Nicht nur Tage mit extremer Hitze nehmen zu, auch die tropischen Nächte. Michael Zeitler, für Fridays For Future auf dem Podium, wartete mit Zahlen auf: Schon 2018 gab es in Amberg 34 Hitzetage – die Temperatur liegt dann über 30 Grad – Tendenz steigend. Bis 2015 gab es keine einzige Tropennacht – die Temperatur fällt nachts nicht unter 20 Grad – , inzwischen werden es auch hier immer mehr. Die Daten stammen von der Amberger Wetterstation in Unterammersricht, also sogar außerhalb der Stadt. „Da muss man genau überlegen, ob eine Bebauung tatsächlich gebraucht wird oder nicht doch eher ein Ort, der Kühle schafft.“ Finanzierbarer Wohnraum, so Zeitler, könnte eventuell auch durch die Sanierung von Leerständen geschaffen werden. Am liebsten wäre ihm ein Konzept mit Klimaaspekt, denn „jeder von uns hat’s inzwischen geschnallt, dass es immer heißer wird und die Wetterextreme zunehmen.“
Schötz: „Luxuswohnungen bringen uns nicht weiter“
Einem solchen Konzept entsprach die Masterarbeit der Architekturstudentin Johanna Schötz nicht unbedingt. In einem soziokulturellen Zentrum auf dem Bürgerspitalgelände kann sie sich ein Museum mit den Keltenausgrabungen, altersgerechte Wohnungen und eine Kinderbetreuungseinrichtung vorstellen. Ihr Plan sieht eine kompakte Bebauung vor, direkt anschließend an den Eckert-Bau, mit einem Querriegel mit begrünten Flachdächern zwischen zwei längs angeordneten Wohnblöcken. „Luxuswohnungen bringen uns nicht weiter“, allerdings wäre für sie auch eine Mischung aus Kulturpark und Wohnungen denkbar.
Graf: „König Ludwig hätte seine Freude an einem Park als Geschenk an die Bürger“
Den Begriff „Kulturpark“ hatte schon vor einiger Zeit der ehemalige Vorsitzende des A.K.T.-Kunstvereins Hans Graf geprägt. Ein Luftmuseums-Bau als Attraktion und Touristenmagnet in der Stadt sollte die Verbindung zwischen Spitalkirche (Ausstellungen, Konzerte) und Ringtheater (freies Kulturzentrum) sein. Aber auch ihn treibt der Klimawandel um. „Es fehlen Grünflächen in der Altstadt. Klimaschutz wird immer wichtiger für die Zukunft einer Stadt.“ Und so ist für ihn statt eines Kulturparks auch ein Park vorstellbar – „ein Raum für Jedermann, für alte Menschen und für Kinder.“ Wohnungsprobleme ließen sich für Graf ebenfalls über die Nutzung von Leerständen lindern.
Weigand: „Das muss eine Kommune für die Zukunft im Kopf haben“
Einen weiteren wesentlichen Aspekt rund um das Bürgerspitalgelände brachte Dr. Sabine Weigand zur Sprache. Die Landtagsabgeordnete der Grünen hält es „grundsätzlich für die schlechteste Lösung“, ein solches „Filetstück aus der Hand zu geben.“ Eine Kommune sei der Bürgerschaft verpflichtet. „Das ist ihr verdammter Job.“ Eine „Vision für die Zukunft“ zu haben bedeute heutzutage, nicht noch mehr Versiegelung und damit weder Tiefgarage noch Einkaufszentrum. Weigand, auch Mitglied im Landesdenkmalrat, der das von der IG verhinderte Ten Binke-Projekt als „Warze“ in der Altstadt bezeichnete, plädierte für ein kommunales Denkmalkonzept. Das wäre für die Stadt ebenso hilfreich wie auch gut gefördert. Und dann, so Weigand, „kommen wir gerne nochmal hierher.“
Die Installierung eines „Bürgerrats“ ist über die bloße Ankündigung auch nach acht Monaten seit dem Ausgang des Bürgerentscheids nicht hinausgekommen. Und ob dieses von „Experten“ begleitete Gremium nur ein Feigenblatt der Beteiligung ist, bleibt abzuwarten. Für Sabine Weigand ist allerdings schon das Auswahlverfahren mit der Auslosung von 40 Bürgerinnen und Bürgern „eine Schnapsidee“. Es wäre „politisch unklug“, den Bürgerentscheid nach einem Jahr „vom Tisch zu fegen“ und damit die Bevölkerung zu brüskieren.